Veröffentlicht am 10.04.2024

BGH stärkt den Spielraum für Eigentümerbeschlüsse bei Kostenverteilungsregelungen

Die neue Rechtsprechung - was Sie als WEG-Verwalter jetzt wissen müssen.

Die Rechtsanwälte Breiholdt Voscherau aus Hamburg haben hierzu einen hervorragenden Fachartikel verfasst, den wir mit freundlicher Genehmigung hier veröffentlichen:

Der BGH hat in zwei Fällen entschieden, unter welchen Voraussetzungen die Wohnungseigentümer nach der WEG-Reform für Erhaltungsmaßnahmen an dem gemeinschaftlichen Eigentum eine abweichende Kostentragungspflicht zu Lasten einzelner Wohnungseigentümer beschließen können.

Kostenverteilung für Doppelparker

In der Entscheidung vom 22.03.2024, Az. V ZR 81/23 hatte sich der BGH mit einem Sachverhalt zu beschäftigen, bei dem in einer Wohnungseigentumsanlage mit zwanzig Doppelparkern wegen eines Defektes der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Hebeanlage je Doppelparker nur jeweils ein Fahrzeug abgestellt werden konnte. Nachdem zuvor sämtliche Wohnungseigentümer an der Kostenlast für die Doppelparkanlage beteiligt waren, beschlossen die Wohnungseigentümer im Jahr 2021, dass die Kosten für eine Sanierung und Reparatur dieser im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Hebeanlage ausschließlich von den jeweiligen Teileigentümern der Doppelparker zu tragen sind. Gegen diesen Beschluss wurde von einem Teileigentümer der insgesamt vier Doppelparker Anfechtungsklage erhoben. Dies ohne Erfolg. Der Beschluss entspricht nach Auffassung des BGH ordnungsmäßiger Verwaltung. Für die WEG besteht gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 WEG eine gesetzliche Beschlusskompetenz, wonach für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der WEG eine vom gesetzlichen Verteilerschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschlossen werden kann. Diese Möglichkeit besteht auch dann, wenn durch einen abändernden Beschluss der Kreis der Kostenschuldner dahingehend verändert wird, dass einige Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals überhaupt mit Kosten belastet werden. Den Wohnungseigentümern steht bei der Abänderung des Umlageschlüssels ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Beschließen sie für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft eine Änderung der bisherigen Verteilung, dürfen sie jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und den einzelnen Wohnungseigentümern angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt. Das galt auch schon vor der WEG-Reform. Werden Kosten von Erhaltungsmaßnahmen, die bisher von allen Wohnungseigentümern zu tragen sind, durch Beschluss einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt, entspricht dies jedenfalls dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauches berücksichtigt. Diese Voraussetzung war in dem zu entscheidenden Sachverhalt gegeben, weil hier nur die Teileigentümer der Doppelparker mit Kosten belastet wurden. Der BGH verneint insbesondere auch einen Vertrauensschutz dahingehend, dass diese Teileigentümer darauf hätten vertrauen können, dass die gesetzliche Öffnungsklauseln dauerhaft unverändert bleiben und die Mehrheitsmacht nicht erweitert wird. Vielmehr müsse damit gerechnet werden, dass sich gesetzliche Rahmenbedingungen auch ändern können.

Kostenverteilung für Dachfenster

In dem zweiten zu entscheidenden Sachverhalt (BGH, Urteil vom 22.03.2024; V ZR 87/23) beschlossen die Wohnungseigentümer im August 2021, die im Gemeinschaftseigentum stehenden defekten Dachflächenfenster in einer Dachgeschosswohnung auszutauschen und dem Sondereigentümer dieser Dachgeschosswohnung die Kosten des Fensteraustausches alleine aufzuerlegen. Gegen diesen Beschluss wurde von dem Sondereigentümer der Dachgeschosswohnung Anfechtungsklage eingereicht. Auch dies ohne Erfolg. Der BGH bejaht auch in dieser Entscheidung eine zulässige Orientierung der Kostenverteilung an der Gebrauchsmöglichkeit der Fenster. Der Beschluss entspricht auch insoweit ordnungsgemäßer Verwaltung, als die Wohnungseigentümer allein über die Kostentragung für den Austausch im Bereich einer konkreten Wohnung entschieden haben, ohne zugleich eine Regelung für die Zukunft zu treffen. Die Wohnungseigentümer müssen nicht schon beim ersten Beschluss über die Kosten einer einzelnen Erhaltungsmaßnahme die sog. „Maßstabskontinuität“ berücksichtigen. Sie müssen nicht zugleich eine entsprechende Regelung für alle künftigen gleichgelagerten Fälle beschließen.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, ob mit diesem größeren „Gerechtigkeitsgedanken“ eine gewisse Anzahl von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Eigentümern über die Kostenverteilungen vermieden werden kann.

Hier finden Sie den Originalartikel: https://breiholdt-voscherau.de/telegramm/wer-den-nutzen-hat-soll-die-kosten-tragen/

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